Datum: 30. November 2019 15:18
Die spezifischen Probleme der Bleibatterien lassen sich nicht auf eine feste Ladespannung reduzieren. Das sind viele Einzelproblemfelder, die teilweise gegensätzliche Anforderungen stellen. Das zeigt schon, dass es bei der Ladespannung immer nur auf einen Kompromiss hinauslaufen kann. Hinzu kommt im PKW, dass da ja auch noch ein Bordnetz mit dranhängt, welches ebenfalls Anforderungen an das herrschende Spannungsniveau stellt.
Ich will die Problematik der Bleibatterien im praktischen Betrieb mal auf drei Faktoren runterkürzen, sonst wird das hier tatsächlich ein Buch.
1. Gitterkorrosion
Die Gitterplatten der positiven Elektroden bestehen aus Blei. Das Aktivmaterial in den Fächern der positiven Platten jedoch aus Bleidioxid. Beim Laden hat nun das Bleigitter der positiven Platten das unvermeidliche Bestreben, sich ebenfalls in Bleidioxid zu verwandeln. Das nennt man Gitterkorrosion. Leider ist Bleidioxid im Vergleich zu Blei noch krümeliger als Eisenoxid (Rost) im Vergleich zu Eisen. Weshalb dieser Vorgang unerwünscht ist, weil durch die Korrosion die Gitterstrukturen zerkrümeln, die gleichzeitig die Stromableiter sind. Hohe Ladespannungen beschleunigen den Prozess der Gitterkorrosion, weshalb man mit der Ladespannung nicht zu hoch gehen sollte. Jedenfalls nicht für zu lange Zeiträume.
Abhilfe gegen Gitterkorrosion: Spannung so niedrig wie möglich!
2. Säureschichtung
Beim Laden wird - bezogen auf den Säureanteil, nicht auf das Flüssigkeitsvolumen - an den Elektroden Schwefelsäure gebildet, beim Laden verbraucht. Das hat zur Folge, dass beim Laden die (schwerere) gebildete Säure nach unten sinkt und beim Entladen das (leichtere) gebildete Wasser nach oben steigt. Ergebnis ist, dass die Säurekonzentration unten hoch und oben niedrig ist. Dies hat großen Einfluss auf Ladbarkeit der betreffenden Elektrodenfläche und Sulfatierungsneigung und damit auch auf die Lebensdauer der gesamten Batterie.
Abhilfe gegen Säureschichtung: Elektrolyt durchmischen! Das geht ganz gut durch mutwilliges Gasen durch sehr hohe Ladespannung: Die aufsteigenden Bläschen mischen den Elektrolyten.
3. Sulfatierung.
Die Aktivmaterialien einer geladenen Bleibatterie sind wie gesagt Blei und Bleidioxid. Zudem spielt die Schwefelsäure als Elektrolyt eine wichtige Rolle. Wird die Batterie entladen, bildet sich an positiven und negativen Platten Bleisulfat als normales Entladeprodukt. Soweit ist das kein Problem. Problematisch aber ist, dass Bleisulfat die Eigenschaft hat, sich im Laufe der Zeit zu immer größeren Kristallgebilden zusammenzuballen, wodurch das Verhältnis aus Oberfläche und Volumen zu Lasten der Oberfläche immer ungünstiger wird, was dazu führt, dass der elektrische Widerstand solcher Kristalle immer weiter ansteigt. Sie werden dadurch zu einem elektrischen Nichtleiter. Die Folge ist, dass sich solche Bleisulfat-Gebilde nur noch schwer und sehr langsam, ab einer gewissen Größe dann aber gar nicht mehr aufladen lassen. Die Batterie "sulfatiert" also zunehmen, wenn sie nicht in kurzen Zeitabständen voll aufgeladen wird.
Abhilfe gegen Sulfatierung: Batterie möglichst ständig voll geladen halten. Hierbei hilft eine möglichst hohe Ladespannung bei
langen Ladezeiten. (Und: Nein - ein "Megapulse" hilft im Auto zur Reduzierung der Sulfatierung leider gar nicht weiter!)
--- Und nun ist der arme Tor so schlau als wie zuvor...
Aus dem gesagten folgt bereits, dass es
die ideale Ladespannung nicht geben kann. Allerdings sind die Bedingungen im PKW üblicherweise so, dass die Batterie sich schon im Stand selbst entlädt und auch vom Fahrzeug im Stand langsam entladen wird. Deshalb ist es wichtig, den "Ruhestrom" des Fahrzeugs einmal zu messen, besonders wenn man hartnäckige Batterieprobleme hat. Denn je geringer der Ruhestrom ist, desto besser für die Batterie-Lebensdauer. Ein paar wenige Milliampere sind tolerierbar, 20mA wohl (leider) normal, 50mA aber schon zu viel. Misst man noch höhere Ruheströme, sollte man deren Ursache finden und beseitigen, oder man kauft dauernd neue Batterien.
Fährt man recht selten oder nur kurze Strecken, wird die Batterie nie voll aufgeladen, weil eine randvolle Aufladung immer wenigstens 12h dauert. In der Folge beginnt eine ungepflegte Batterie im PKW zwangsläufig zu sulfatieren. Sie verliert dadurch mehr und mehr Kapazität.
Das beste Mittel die Sulfatierung wieder zurückzuführen und in der Folge weitgehend zu verhindern, ist die regelmäßige Aufladung mit deutlich
erhöhter Spannung und über
längere Zeit. Also müsste man ein geeignetes Ladegerät wenigstens alle paar Monate mal für mehrere Tage anklemmen und randvoll aufladen. Aber nicht nur, bis Standard-Lader "Full" behaupten, sondern bis alles Bleisulfat
wirklich wieder in Blei und Bleidioxid umgewandelt ist. Man kann eine wirklich randvolle Aufladung übrigens daran erkennen, dass die Ruhespannung der Batterie deutlich ansteigt. Wenn man im aufgeladenen Zustand 12,8V und mehr Ruhespannung misst (eine Abklingzeit von 4h nach der Aufladung mal vorausgesetzt), kann man davon ausgehen, dass die Batterie wirklich voll ist und kaum noch Bleisulfat vorhanden ist.
Womit ich nach dem ganzen Kram zur eigentlich Frage komme: Welches ist die "richtige" Ladespannung eines Lichtmaschinenreglers? Drei Antworten kann ich anbieten:
1. Die 13,8 bis 14,1V des Standardreglers. Weil damit passiert nichts, was man dem Reglerhersteller zur Last legen könnte: Weder kochen damit (intakte) Batterien über, noch würden die bei Dauerlauf des Fahrzeugs überladen werden.
2. Die 14,7V oder mehr der Regler moderner Fahrzeuge. Weil bei den meisten der modernen Fahrzeuge der Ruhestrombedarf wegen der vielen Elektronik und Microcontroller schlicht brachial ist und man mit der ultrahohen Reglerspannung zwar auch nicht mehr viel retten kann, aber wenigstens nach Kräften den Ladestrom in die Batterien hineinzwingen. Länger halten tun die Batterien damit zwar nicht, eher im Gegenteil, aber wenigstens sind sie auch nicht dauernd leer.
Oder 3. Irgendwas dazwischen, also 14,2 bis 14,6V. Das scheint mir für unsere Fahrzeuge sinnvoll. Damit geht man den besten Kompromiss zwischen Sulfatierung und Gitterkorrosion ein. Jedoch sind weder eine Entmischung der Säureschichtung damit möglich, noch die im Normal- und Kurzstreckenbetrieb unvermeidlich fortschreitende Sulfatierung.
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Wenn man zusätzlich noch regelmäßig mit deutlich erhöhter Spannung (15,2 bis 15,6V) über wenigstens 24h am Lade- oder Netzgerät randvoll auflädt, holt man das Maximum an Leistung, Kapazität und Lebensdauer aus seiner Batterie heraus.
Wer weitergehendes Interesse an der Technik von Akkus, Batterien und der zugehörigen Ladetechnik hat, findet sicher in
meinem kleinen Forum jede Menge weiterführende Infos.
Grüße, Tom
Aus Murphys unvollständiger Liste von Kampfgesetzen:
41. Wenn beide Seiten davon überzeugt sind, dass sie bald verlieren werden, haben sie beide Recht.