~Das Image-Fazit trifft irgendwie wirklich noch nicht den Kern der Sache.[br]
~Also wichtig sind ja erstmal die Gründe, warum wir den W124 so lieben. Und in zweiter Instanz muss man sich überlegen, was davon nach außen verständlich ist, und was nicht.[br]
~Für mich persönlich ist der W124 die perfekte Essenz aus kompromisslosem Aufbau, technokratischem Design, ultimativer Ergonomie verbunden mit einem durchgängigen Stilempfinden (das die Tradition des Hauses DB perfekt fortführt) bis ins kleinste Detail.[br]
~Dazu kommen perfekte Alltagstauglichkeit und Fahrleistungen, die man als Unwissender nicht unbedingt vermutet, zumindest was die 6Zylinder angeht.[br]
~Aber abgesehen von der Aura des Perfekten umgibt den W124 (wenn Zustand und Ausführung stimmen) noch ein ganz besonderer Charme. Wenn man zurückdenkt an die späten 80er Jahre, die er geprägt hat wie kein anderes Auto (die Bonner Limousine W126 mal ausgenommen), wird einem klar, daß es eine ganz andere Zeit war. Eine konstruktive, wohlhabende, gleichzeitig intellektuell geprägte und trotzdem bodenständige. Man war nicht zu Unrecht stolz auf die deutsche Wirtschaft, nicht nur auf den monetären Erfolg sondern auch auf die Produkte selbst. Und das nicht auf eine amerikanische Art und Weise, wie Westernstädte mit riesigen Fassaden und kleinen Schuhkartons dahinter, sondern es ging um wirkliche Werte. Klingt in vielerlei Hinsicht furchtbar, aber damals schlug sich der Bogen von ehrlicher Ingenieursleistung über die technokratische Ästhetik im Sinne der Ulmer Hochschüle für Gestaltung bis hin zum Mainhattan und D´dorf des Jahres 89.[br]
~Heutzutage sind die Autos im Verhältnis zur Kaufkraft deutlich teurer (kommt mir jedenfalls so vor), und leisten abgesehen von inkonsequent vorgetragenen, schwülstigen Design-Ideen gar nichts. Alles wurde billiger statt wirtschaftlicher, es wurde kaputtgespart, und statt dessen für den schnellen Effekt und den dummen Geschmack peinliche Glanzlichter gesetzt. Primitive Schlüsselreize für Leute, bei denen sich sowohl Budget als auch Stilempfinden mit Dieter Bohlen vergleichen lässt.[br]
~Das in den 80ern noch dominierende öffentlich-rechtliche Fernsehen bot noch journalistisches Niveau und hat damals noch einen grossen Beitrag zur "Erziehung" der Gesellschaft geleistet. Mittlerweile versucht man dort, wo sowieso schon keiner mehr einschaltet, das Niveau der Privaten zu unterbieten. Die Aufmerksamkeitsspanne (auch bei Kaufentscheidungen) ist zusammengebrochen, Details und Hintergründe interessieren nicht, und sinnfreie bunte Glitzereien locken mehr Kunden an als Verarbeitungsniveau und Ergonomie.[br]
~Man merkt es auch den Autos an. Der erste Zusammenbruch in der mittleren Baureihe bei Mercedes war der innen wie aussen hässliche und qualitativ erbärmliche W210. Und es ging ja bekanntlich noch weiter nach unten. [br]
~Früher war ein Mercedes-Dogma, nie modisch zu sein. Mittlerweile sind die ersten auf modisch getrimmten Modelle aus der Mode gekommen. Das geht soweit, daß einige Leute, die sich nicht besonders gut auskennen, den 124er als moderner einschätzen als den W210. Ich find´s gut![br]
~Naja, langer Rede schwacher Sinn:[br]
~Für mich hat der W124 einen Hauch der guten alten Zeit bewahrt, in der man sich die Zukunft noch anders vorgestellt hatte, als sie heute ist.[br]
~Eigentlich ist der 124er in seiner Rolle noch so aktuell, weil er einfach keinen würdigen Nachfolger gefunden hat.[br]
~Irgendwie ist er so sympathisch, weil er die in vielerlei Hinsicht widerlichen 90er komplett ignoriert, und einfach für sich selbst steht, ohne Zielgruppenanbiederei.[br]
~Bevor ich hier aber noch das Thema verfehle und eine 6 bekomme möchte ich noch sagen, daß ich finde, daß von diesem inneren Image des W124 einiges nach Außen dringt. Man fährt die E-Klasse der späten 80er und frühen 90er, und nicht irgendein altes Auto. Man hat seine Gründe dafür, und ich bilde mir manchmal ein, daß es wirklich nicht so wirkt, als hatte man es nötig, einen alten Mercedes zu fahren; man hat es nicht nötig, einen neuen zu fahren![br]