Datum: 20. Februar 2018 00:59
Vielleicht sollte man erstmal ergründen, was man erreichen will. Eine Hinterachse, die niemals mehr irgendwelcher Pflege bedarf? Wozu sollte das gut sein, wenn alles andere außen herum nicht genauso geschützt ist? Um den Ur-Ur-Ur-Enkeln nach 200 Jahren eine Hinterachse zu vererben, die sie an die Wand hängen können? Mal im Ernst: Alles, was über eine ordentliche Entrostung und Neulackierung geht, ist eigentlich übertrieben. Die "Original-Lackierung" ist der normale schwarze Grund, der auf allen Blechteilen aufgetragen wurde. Eigentlich weder stabil noch langlebig. Dennoch halten die meisten Achsen locker 25 Jahre, bis man mal ran muss. Wenn man sie also nach dem Entrosten einfach wieder lackiert, sollte man weitere 25 Jahre Ruhe haben.
Worüber sich niemand Gedanken macht ist, warum Rost entsteht. Einheitlich wird immer der Lack als Schuldiger benannt, weil er ja das Blech schützen soll und es offensichtlich nicht mehr tut. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Der Lack hat nach spätestens 10 Jahren schon lauter Pickel von Steinschlägen. Verrottet ist die HA aber noch lange nicht. Sie kann nach 30 Jahren wie ein Sternenhimmel mit Flugrost in jedem Steinschlag aussehen und ist trotzdem noch einwandfrei.
Um das hier mal klar zu stellen: Der Lack soll und kann nur bedingt schützen. Der eigentliche Gammel kommt ausschließlich von mangelnder Pflege. Die HA kriegt nur wenig Gischt beim Fahren ab und trocknet normalerweise schnell wieder ab. Gammel entsteht dann, wenn Feuchtigkeit eine Oberfläche vorfindet, in der sie gebunden und für längere Zeit gehalten wird. Mit anderen Worten: Dreck. Und zu Dreck zähle ich auch alte ausgetrocknete Schutzwachs-Krusten. Ganz schlimm wird es, wenn erstmal ein gewisser Gammel eingesetzt hat und sich die Feuchtigkeit unter Lack- und Rostschichten halten kann.
Damit rückt auch die korrekte Vorgehensweise ins Licht: Nicht mit allem möglichen zukleistern, sondern für halbwegs Sauberkeit und, wenn man sich schonmal die Mühe eben will, eine möglichst glatte Oberfläche sorgen, damit Dreck und Wasser möglichst schlecht anhaften können. Anders macht man es in der professionellen Oldtimer-Restauration auch nicht und Oldtimer werden nicht nur bei Schönwetter gefahren.
Der ideale Schutz ist eine gar nicht so dicke aber gut ausgeführte Lackschicht. Ein ordentlicher Steinschlag schafft es eh mühelos durch jede dickere Schicht, da sollte man sich gar keinen Illusionen hingeben. Dickere Schichten können zudem viel länger unbemerkt unterwandert werden. Eine intakte Pulverbeschichtung hat jedoch zumindest noch den Vorteil, dass Dreck nur sehr schwer anhaften kann.
Völlig gaga auf dem Achsträger sind Korrosionsschutzfette wie Sanders oder Fluid. Solche Fette sind in der Tat sehr gut aber sie gehören je nach Konsistenz nur in gefährdete Sicken, Falze und Hohlräume. Kein professioneller Oldi-Restaurator würde damit ein Auto von unten zuschmieren, denn auf freien Flächen haben die Mittel den Nachteil, dass sie fröhlich Dreck binden können und durch Hitzequellen wie dem Auspuff entweder verschwinden oder auf Teile überwandern, wo sie noch weniger verloren haben. Wer damit die Hohlräume seines HA-Trägers aussprühen will, hat verstanden, wozu die Mittel gut sind.
Um den Unterboden langfristig zu erhalten, ist einfach nur etwas Pflege nötig. Einmal im Jahr mit dem Dampfstrahler säubern sollte reichen. Wer wie ich berechtigterweise Haarrisse in Schutzschichten wie dem Steinschlagschutz befürchtet, verteilt vor der Wäsche eine Dose WD40 auf dem esamten Unterboden. Neben dem Schutz feinster Beschädigungen durch Kapillarwirkung hat das Öl den Vorteil, dass es den Dreck anlöst und dem Dampfstrahler die Arbeit erleichtert. Von der Reinigung profitiert nicht nur der Hinterachsträger, sondern der gesamte Unterbau mit allem, was da so dran ist. Eine Unterbodenwäsche in der Waschstraße ist übrigens keine Alternative. Sie hilft lediglich im Winter, das Salz wieder runterzuspülen.
Bei meinem 126er Coupé habe ich übrigens nur aus optischen Gründen nach 25 Jahren mal zwei Dosen 2K-Lack in schwarz auf der HA aufgebracht und die Karosseriedichtmasse auf den Nähten mit Fluid Permafilm überstrichen. Heute nach 35 Jahren sieht die HA wieder recht pickelig aus aber mehr auch nicht. Das Auto wird übrigens erst seit 10 Jahren mit Saisonkennzeichen gefahren und musste die ersten 25 Jahre als Ganzjahres-Alltagsauto dienen. So viel zum Thema Pflege:
Grüße, Tilman (300TE/91, 380SEC/83)